Im Prozess der Personalselektion setzen Unternehmen häufig alles daran, die beste Version ihrer selbst darzustellen und dabei gross aufzutrumpfen. Durch diese Überzeichnung locken sie im Gegenzug einen übermässig geschönten Auftritt der Bewerbungskandidaten hervor und bekommen diesen von den Jobinteressenten oft auch präsentiert. Wer sich gut darstellen kann, hat unter diesen Bedingungen zweifelslos Vorteile. Die besten Bewerbungskandidaten sind aber nicht unbedingt die besten Mitarbeitenden. Ein brillanter Auftritt im Bewerbungsgespräch garantiert alleine noch keine Eignung für den Job. Im ungünstigsten Fall bleibt so die Authentizität beiderseitig auf der Strecke. Jeff Hyman, CEO bei Recruit Rockstars, nimmt unter dem Titel „No more bad hires“ im Podcast „HR Works“ Stellung zur Bedeutung der Möglichkeit, sich als das zu bewerben, was man ist.
Hyman spricht von der „DNA der Persönlichkeit“ und meint damit den wahren und überdauernden Kern der Persönlichkeit. Als Prädiktor für die Passung zwischen Kandidat/in und Job soll diese DNA hervorragende Qualitäten aufweisen. Hyman lässt dabei im Podcast leider offen, welche Merkmale der Persönlichkeit und des Jobs denn genau zu beachten seien. Stattdessen betont er, dass es im Rahmen der Kontakte zwischen Unternehmen und Bewerbungskandidaten sehr wichtig sei, die Kandidaten nicht unter Druck zu setzen. Vielmehr sollten sie jegliche Angespanntheit ablegen und sich selber sein können. Natürlich stellt gerade das eine Herausforderung dar, weil solche Begegnungen nach ausreichend Zeit und Wiederholung verlangen, andererseits genau das aber die Gefahr mit sich bringt, dass die Kandidaten vorzeitig andere Angebote annehmen. Es hilft nur, sich möglichst gut und gründlich auf die Personalsuche und die Selektionsprozesse vorzubereiten.
Das Risiko, die wahre Persönlichkeit erst nach einer Anstellung kennenzulernen und überrascht zu werden, steigt nach Hyman vor allem dann, wenn sich Unternehmen als einzigartige Institution sehen, in der eine Mitarbeit als besonderes Privileg betrachtet werden muss. Solche Unternehmen preisen sich entsprechend unbescheiden auf dem Markt an. Sozusagen als „Über-Arbeitgeber“, die alle Ansprüche und Bedürfnisse von Mitarbeitenden erfüllen können. Die Verlockung und der Druck wird für Kandidaten gross, hier alle Register ihres schauspielerischen Könnens zu ziehen und sich ebenfalls uneingeschränkt makellos zu präsentieren. Eine Suboptimalität in der Formulierung des Lebenslaufs kann unter solchen Umständen auch für den geeignetsten Kandidaten bereits das Aus bedeuten. Wie attraktiv jemand seinen Lebenslauf ausgestalten kann, wird so paradoxerweise plötzlich wichtiger als die Frage, ob er oder sie sich überhaupt für den eigentlichen Job eignet. Allseitig gewinnbringender wäre es stattdessen, Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten zu öffnen sowie die Mitarbeitenden gemeinsam und überdauernd an der Erarbeitung einer möglichst guten gegenseitigen Passung teilhaben zu lassen.
Hierfür muss von der irrigen Vorstellung Abschied genommen werden, dass Passung zwischen Person und Arbeit alleine aus Auswahlprozessen resultiert. Vielmehr entsteht Passung zumeist erst als Ergebnis von Vorgängen, die eine wechselseitige Adaption von Mensch und Arbeit mit sich bringen. Insbesondere Mitarbeitende mit hohem Entfaltungsbedürfnis sind stark darin engagiert, sich eine ihnen entsprechende und belohnende Arbeitsumwelt aufzubauen. Gleichzeitig zeigen sie sich auch flexibel und bereit, ihre eigenen originären Ansprüche und Ziele je nach Situation zu modifizieren und sich damit ein Stück an die Arbeitsbedingungen zu assimilieren. Neben den Selektionsschritten, die am Anfang einer Anstellung stehen, sind hierfür immer auch Sozialisationsprozesse erforderlich. Die Frage, wie gut ein/e Kandidat/in zu einem Job passt – oder umgekehrt ein Job zu einem selbst -, deckt so gesehen nur die Hälfte der Möglichkeiten ab. Ebenso müsste die Frage gestellt werden, wie weit die Passung über die Zeit verbessert werden kann.
Unter diesem Licht kommen Persönlichkeitsmerkmalen klar eine höhere Bedeutung zu als Faktoren wie Jobtitel, Ausbildungsinstitution oder Branchen, in denen bisher gearbeitet wurde. Letztere haben sich nach Hyman allzu oft als äusserst schwache Prädiktoren erwiesen.
Quellen:
Podcast “HR Works: The Podcast for Human Resources”, Episode 78: No More Bad Hires.