3. Dezember 2022

Kulturelle und nationale Unterschiede zu den Big Five

Die Frage zur Kulturabhängigkeit der Big Five Persönlichkeitsmerkmale kann als breit untersucht gelten. In verschiedenen gross angelegten Studien wurden bereits in den Jahren 2002 bis 2007 aufgezeigt, dass das Modell der Big Five Persönlichkeitsstruktur zwar in einem Grossteil der Weltregionen Bestand hat, gleichzeitig aber interkulturelle Differenzen auf einzelnen Merkmalsausprägungen zu beobachten sind.

Ursprünglich englischsprachige Persönlichkeitstests auf Basis der Big Five Dimensionen werden in alle möglichen Sprachen übersetzt und auf der ganzen Welt eingesetzt. Zumeist wird dabei davon ausgegangen, dass sich die dahinter stehenden psychologischen Konstrukte auf andere Kulturen und Sprachräume generalisieren lassen und universelle Gültigkeit haben. Diese impliziten Annahmen sind nicht unproblematisch. In Bezug auf die Big Five stellt sich als erstes die Frage, ob sich die Faktorenstruktur und der damit einhergehende grosse Erklärungswert des Modells auch in anderen Kulturen replizieren lassen. Zweitens können sich auch Validierungsprobleme durch inadäquate Übersetzungen oder abweichende Antwortverhaltensmuster in anderen Kultur- und Sprachräumen ergeben.

In einer breit angelegten Studie wurde anhand des Persönlichkeitstests NEO-PI-R – unter Beteiligung des Testautors Robert McCrae – bereits früh aufgezeigt, dass sich die Big Five Dimensionen in 18 ausgewählten Kulturregionen der Welt bestätigen liessen. Zudem haben sich bei der Ausprägung der Merkmale über die Weltregionen regelmässige und systematische Muster gezeigt, die sich zumindest teilweise auch kultur- und weltgeschichtlich gut einordnen und erklären lassen.

Die Autoren berichten z.B. von allgemein geringeren Variabilitäten auf dem asiatischen und dem afrikanischen Kontinent auf allen Big Five Merkmalen. Erklärt wird dieser Befund vor allem durch die weniger individualistisch ausgeprägteren Lebenswelten im Vergleich zu Europa und Nordamerika.

Kürzere Instrumente als der umfangreiche NEO-PI-R wurden sogar auf 56 verschiedene Nationen angewendet und zu Vergleichszwecken herangezogen. Auch damit konnte wiederum die Faktorenstruktur in grosser Ähnlichkeit wie im angloamerikanischen Sprachraum nachgewiesen werden. Bezogen auf einzelne Merkmale und Nationen konnte hingegen eine ganze Reihe von Unterschieden entdeckt werden: So beurteilten sich z.B. Angehörige von Nationen wie Serbien und Kroation als besonders extravertiert, während introvertierte Personen in Bangladesch übervertreten waren. Gewissenhaftigkeit wurde z.B. in Japan und Südkorea als tief eingeschätzt. Nicht selten wiesen – wie in den genannten Beispielen – geographisch benachbarte Staaten ähnliche Muster auf.

Auf dem Merkmal der Verträglichkeit zeigten weiter vor allem afrikanische Staaten hohe Werte, während v.a. bei ostasiatischen Ländern wie Japan und Südkorea signifikant tiefere Werte resultierten. Interessanterweise ergaben sich bei afrikanischen Ländern tiefere Werte bei Merkmalen wie Neurotizismus und Offenheit, während die Ergebnisse in Bezug auf das Merkmal Offenheit gerade in Südamerika höher lagen. Es wird offenkundig, dass die Ergebnisse nicht immer mit den Stereotypen übereinstimmen, die wir von einzelnen Nationen oder Kontinenten haben. Es scheint möglich, dass gewisse Stereotypen mehr kollektiv geteilten Mythen entsprechen als dass sie eine empirische Basis haben.

Neuere Studien haben zudem aufgedeckt, wie in isoliert lebenden indigenen Stammes- und Bevölkerungsgruppen das Big Five Modell zur Persönlichkeit nur noch begrenzt rekonstruiert werden kann. Merkmale wie Offenheit, die in den modernen Gesellschaften aufgrund von ständigen Veränderungen zunehmend wichtig wurden, spielten dort keine Rolle. Als umso bedeutsamer werden Fleiss und Hilfsbereitschaft bewertet, welche das Überleben solcher Kulturen sicher massgeblicher bestimmen. Irgendwo zeigt demnach auch die ansonsten so gut bestätigte allgemeine Gültigkeit des Big Five Modells ihre Limiten auf.

Quellen:

Schmitt, David & Allik, Jüri & R. McCrae, Robert & Benet, Veronica & Veríssimo, João & Reips, Ulf-Dietrich. (2007). The geographic distribution of Big Five personality traits. Journal of Cross-Cultural Psychology. 38. 173-212.

 

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