Personalbefragungen werden breit eingesetzt, um Feedback über die aktuelle Situation im Betrieb einzuholen und Verbesserungsmassnahmen abzuleiten. Sie sind aber immer auch eine Gratwanderung: Allzu häufig verkommen sie in der betrieblichen Praxis zu aufwändigen Pflichtübungen ohne Implikationen oder – gar noch schlimmer – zu einem demotivierenden Konfliktherd.
Die Employee Engagement Beraterinnen und Autorinnen Jo Dodds und Mary Faulkner tragen in zwei Podcasts grobe Verfehlungen in der Vorbereitung, Durchführung und Aufarbeitung von Mitarbeitendenbefragungen zusammen. Im Wesentlichen geht es dabei immer um verletztes Vertrauen. Fehlt das Vertrauen in die Personalbefragung und die dahinter stehenden Absichten, so ist jede Befragung zum Scheitern verurteilt. Wir stellen die gröbsten Patzer vor:
Verwechslung von Vertraulichkeit und Anonymität: Wer den Mitarbeitenden Anonymität zusichert, darf keine personalisierten Tokens zum Zugang auf die Online-Befragung oder IP-Adressen sammeln, die einzelnen Arbeitsplatzrechnern zugewiesen sind. Auf Papierfragebogen darf es keine ID-Codes haben. Auch nicht, wenn die Befragung von einem externen Partner durchgeführt wird und so eine Rückführung betriebsintern ausgeschlossen bleibt. Andernfalls darf den Mitarbeitenden nur Vertraulichkeit zugesichert werden. Vertraulichkeit beruht auf Vertrauen. Anonymität hingegen bringt auch Sicherheit: Sie gewährleistet, dass die Antworten rein technisch auf keinen Fall den einzelnen Mitarbeitenden zugeschrieben werden können.
Miterhebung von identifizierenden Merkmalen: Die Gewährleistung von Anonymität wird auch dann empfindlich verletzt, wenn Angaben in einem Detailgrad erhoben werden, die eine persönliche Identifikation unter speziellen Konstellationen indirekt ermöglichen. Konzeptionell wird die Befragung so gestaltet, dass die Ergebnisse möglichst auch auf die einzelnen Teameinheiten heruntergebrochen ausgewertet werden können. Das bringt aber auch ohne Absicht die Gefahr mit sich, dass die Antworten eindeutig bestimmten Mitarbeitenden zugeordnet werden können. So können zum Beispiel unter zusätzlicher Angabe des Geschlechts, der Teamzugehörigkeit und der Funktionsgruppe zu Beginn des Fragebogens vielleicht rasch nur noch eine oder zwei Personen zeichnend sein. Und wenn dann die andere Person mit denselben Merkmalen grad noch krankheitsbedingt abwesend war, wird ungewollt allen klar, von wem die möglicherweise sehr kritischen Antworten stammen.
Mangelnde zeitliche Entkoppelung: Personalbefragungen sollten nicht in zeitlicher Nähe zu den periodischen Mitarbeitergesprächen erfolgen, wenn sie davon unabhängig stehen: Die zeitliche Nähe schürt sehr rasch den Argwohn, dass die Antworten von den Vorgesetzten im Hinblick auf das Mitarbeitergespräch genutzt oder eingesehen werden können. Es ist mehr als plausibel, dass sich Mitarbeitende Nachteile ausmalen, wenn sie eine solche Verarbeitung auf Team-Ebene vermuten. Sie werden ihre Antworten unter solchen Unsicherheiten nicht mehr ehrlich, sondern verzerrt in Richtung Erwünschtheit abgeben, um persönliche Nachteile abzuwenden.
Falscher Expertenansatz: Häufig werden die Antworten und Einschätzungen der Mitarbeitenden eingeholt, um sie dann in Experten- oder Vorgesetztenteams zu diskutieren und mit den besten Absichten passende Veränderungsmassnahmen abzuleiten. Eine Implementierung, in der die Mitarbeitenden die Probleme benennen und die Experten die Lösung dafür kennen, ist aber wenig realistisch. Solche Ansätze werden vielfach aus Kundenbefragungen übernommen, wo die Kunden ausdrücken, was sie möchten oder ihnen missfällt, und das Unternehmen darauf mit Massnahmen reagiert. Im Zusammenhang mit Personalbefragungen ist es jedoch unabdingbar, die Mitarbeitenden, welche die Antworten geben, auch frühzeitig in die Interpretation der Ergebnisse und die Erarbeitung von Verbesserungen einzubinden. Wo Mitarbeitende die Probleme am besten kennen, ist es wahrscheinlich, dass sie auch die besten Lösungen finden.
Am Ende steht das Wichtigste: Personalbefragungen müssen Wirkung zeigen. Die besten Instrumente, die klügsten Fragen und die trefflichsten Ergebnisse haben keinen Wert, wenn sie ohne Folgen bleiben. Befragungen müssen am Ende spürbare Verbesserungen mit sich bringen, sollen sich die Mitarbeitenden auch bei der nächsten Durchführung wieder mit Engagement beteiligen.
Quellen:
Podcast “Internal Comms Pro”, Episode vom 16. Oktober 2018: How to Make Your Survey Count.
Podcast “Forging Employee Experience”, Episode vom 30. Mai 2019: What Not to Ask On Your Employee Engagement Survey.